Vom 17. Oktober 2013 bis 3. Juli 2014 lief der erste offene Trainingsprogramm-Durchgang von socialmentoring als Proof-of-Concept. Mit der hier vorliegenden Auswertung werden exemplarisch Lernerfahrungen aus Sicht der teilnehmenden Manager und Managerinnen beschrieben.
An diesem Trainingsdurchgang nahmen 6 unterschiedliche Unternehmen mit je einem/r TrainingsteilnehmerIn teil, davon waren 5 Personen in ihrem Unternehmen bereits als Führungskräfte tätig. 1 Teilnehmer war männlich, 5 Teilnehmerinnen weiblich. Die Gruppe der Mentees bestand zum Großteil aus Alleinerziehenden, eine Mentee hatte Migrationshintergrund.
Die persönlichen Lernerfahrungen wurden in Form von Interviews während des abschließenden Lerntransfer-Workshops erhoben und in 3 verschiedenen Kategorien abgebildet:
- Lernerfahrungen als Führungskraft
- Lernerfahrungen als Person
- Lernerfahrungen als Veränderungsimpulse für das eigene Unternehmen
Nachfolgend finden Sie eine Zusammenstellung der von den TeilnehmerInnen reflektierten und in Interviewform gesammelten Lernerfahrungen.
Lernerfahrungen als Führungskraft
- Selbstreflexion: die eigenen Herausforderungen in der Zusammenarbeit unter die Lupe nehmen und nicht nur darauf fokussieren, welche Hürden mein Gegenüber zu nehmen hat
- Die Beziehung auch auf der Metaebene zur Sprache bringen: Wie geht’s uns in unserer Zusammenarbeit?
- Hilfreiche Ressourcen meines Gegenübers stützen anstatt ihn dadurch zu frustrieren, dass ich nicht an die Erreichbarkeit seiner Ziele glaube
- Mein Gegenüber in seiner Lebenssituation und mit seinen Bedürfnissen durch empathisches Zuhören anerkennen und wertschätzen, erzeugt eine gemeinsame Ausgangsbasis für unsere Zusammenarbeit.
- Die Erfahrung, dass man Potenziale, die eine Person mitbringt, tendenziell unterschätzt
- Ein gutes Übungsfeld dafür, vorhandene Potenziale zu erkennen und sie in Können und letztlich in Resultate überzuführen
- Beim Führen ohne hierarchische Macht ist man gefordert, die nötige Akzeptanz zu erreichen, damit man dem anderen helfen kann, seine Ziele in gegebener Zeit zu erreichen
- Coaching-Techniken sind sehr hilfreich, wenn auf Augenhöhe geführt werden soll
- In diesem Lernumfeld verschärft sich das Verständnis von Führung gerade deshalb, weil einige typische Aspekte von Führung fehlen
- die enorme Bedeutung des Selbstwerts und der Selbstwirksamkeitserwartung des Mitarbeiters (Mentees) für beruflichen Erfolg / Misserfolg
- die Motivationswirkung, als Führungskraft Optimismus / Hoffnung zu vermitteln, dass „es gehen kann“
- Selbstbefähigung des/der MitarbeiterIn weiterentwickeln: Erkennen des Unterschieds zwischen Steuern einer Person und Loslassen
- wertschätzende Begleitung bewirkt persönliches und berufliches Wachstum
- eine (junge) Führungskraft kann lernen, wie viel Verantwortung man hat/ bekommt, wenn man sich auf jemand andern einlässt; die „Unentrinnbarkeit“ aus Arbeitsanforderungen und Lebenszielen
- Bedeutung von Feedback inkl. dem innewohnenden Frustrationspotenzial
- sich abgrenzen können: Differenzierung zwischen Beteiligtsein und Betroffensein
- Zusammenhang und Einfluss privates Leben mit / auf beruflichen Werdegang der MitarbeiterIn
- Struktur schaffen um Ziele besser zu erreichen: kleine Schritte / Ziele unterbrechen eine gefühlte Stagnation und führen damit zu Fortschritt -> damit kann der Erfolg besser wahrgenommen werden
- verbesserbarer Umgang mit Fehlern: seine Richtung wieder zu ändern / Entscheidungen zu revidieren ist ok!
- Geduld aufbringen für die Entwicklung eines scheinbar unstrukturierten Prozesses in einen strukturierten
- Erkenntnis, dass durch gegenseitige Wertschätzung die persönliche Werteperformance profitiert
- Durch Feedback die Unterschiede zwischen Eigenbild und Fremdbild erkennen
- Spielregeln der Zusammenarbeit von Anfang an klar kommunizieren und vereinbaren: wie ticke ich, wie tickst du und wie stellen wir uns eine Zusammenarbeit vor
- Hierarchien sind immer da, auch wenn ein Unternehmen freundschaftlich geführt ist
- Es liegt in der Verantwortung des/r MitarbeiterIn, ob er/sie seine/ihre Ziele erreicht und wie er/sie das macht
- Stärken bewusst machen und den MitarbeiterInnen wertschätzend und differenziert rückmelden
- Akzeptanz eigener Begrenztheit: dadurch, dass ein Mentee ohne Positionsmacht geführt wird, wird aus ihrem Fehlen gleichzeitig klar, welche Kraft hinter ihr steckt
- Die enorme Wirkung von Coaching-Instrumenten (offene Fragen …) im Führungskontext
- Prozesskompetenz und Reflexionskompetenz: bewusstes Wahrnehmen von personalen und sozialen Prozessen
- Rollenbewusstsein: sich den Unterschied bewusst machen, wann man welche Rolle innehat (Mentor, Berater, Coach)
- Ressourcenorientierung: man tendiert dazu, die Potenziale von Personen zu unterschätzen
- Vorurteile: Offenheit und Zutrauen ist nötig; Ablegen von Vorverurteilungen; eigene Vorstellungen zurücknehmen und den anderen in seinen Stärken wahrnehmen und einsetzen
Lernerfahrungen als Person
- auch „geschehen lassen“ kann eine geeignete Intervention sein
- Wirkung von Autoritäten und Erwartungshaltung an Autoritäten auf eine Person
- Abgrenzung und der Umgang mit Nähe / Distanz
- Wie sehr sich transgenerationale Familienthemen/ Aspekte auf den Berufskontext, auf den beruflichen Erfolg / Misserfolg auswirken können
- Bilder von beruflichem Erfolg werden auch von Familienmythen geprägt (konkreter Fall Holocaust)
- Im Arbeitsleben auch „Nein“ sagen zu müssen, selbstbestimmt zu agieren und sich abzugrenzen
- eine scheinbar aussichtslose Sache ist nie aussichtslos
- Frustration ist immer eine Chance für neue strategische Überlegungen
- es ist gut auf seine Intuition zu hören
- Veränderung der Perspektive kann ein klareres Verständnis der Situation bringen
- Bedeutung von Selbstreflexion und aktivem Zuhören
- was ich selbst als „normal“ bzw. selbstverständlich wahrnehme, hat für jemand anderen eine völlig andere Wertung
- Bedeutung von Querdenken: mich bewusst der Meinung von jemand anderen aussetzen, der mich nicht kennt
- Offenes Ansprechen auch des Selbstzweifels
- Bewusstes Heraustreten aus dem Hamsterrad, um auf Kraftreserven langfristig bauen zu können
- Geduld! Bewusst zwischendurch innehalten und das schon Erreichte erkennen
Impulse fürs Unternehmen
- MitarbeiterInnen-Zufriedenheit als Scorecard-Kriterium aufnehmen
- Über mehrere Ebenen verzahnte Feedbacksysteme etablieren
- Breitflächiges Fördern von Diversity-Kompetenz (Diversität birgt Chancen!)
- Familienfreundlichkeit im Unternehmen fördern
- Umgangskultur für schwierige Lebenslagen von Mitarbeitern entwickeln
- Betriebliche Sozialarbeit ernst nehmen:
- Antwortversuch, wie man als Unternehmen „anständig“ unter „unanständigen Bedingungen“ umgehen kann
- Dadurch auch höhere Ausschöpfung vorhandener Potenziale möglich
- Führung kann auch ohne Hierarchie funktionieren: Diversität der Führung, Laterale Führung
- Feiern von Erfolgen! auch auf vermeintlich Selbstverständliches bewusst hinschauen
- Jeder schafft sich seine Realität selbst: Realität liegt im subjektiven Auge des Betrachters
- regelmäßige Reflexionsrunden im Team installieren
- Fehlerkultur etablieren – Angst vor Fehlern nehmen
- Rollenklarheit im Führungsleitbild: Coach, Berater, Mentor
- Mehr Zeit für das gemeinsame Besprechen von MitarbeiterInnen-Situationen im Führungsteam